Der Schnee fiel zum letzten mal
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Der Schnee fiel zum letzten mal
„So jetzt nur noch ein halbes Dutzend, dann haben wir es auch schon.“ Konzentriert saß der ältere Pandaren vor der Liege seines Patienten und spickte routiniert dessen Oberkörper nach und nach mit hauchdünnen Nadeln. „Wie lange muss ich so liegen bleiben Meister?“ fragte der Behandelte ungeduldig. „Mindestens fünf Minuten, vielleicht auch sieben.“ gab der Arzt zur Antwort und stach Nummer 34 knapp unterhalb der Ellenbeuge ein. Unschuldig hakte der Kranke interessiert nach „Ist das für meinen Fall eine übliche Dauer?“. „Wie? Äh nein, so lange brauche ich ungefähr um mir einen Tee zu holen. Sofern es noch heißes Wasser gibt.“ Unzufrieden aber sich seinem Schicksal hingebend brummte der Leidende tief und bemühte sich von einem Leben ohne chronische Schulterschmerzen zu träumen.
Bald würde die Behandlung zum Ende kommen, der Therapeut nahm die letzte Nadel zur Hand und setzte sie schon vorsichtig an, als plötzlich mit einem lauten Schlag die Türe aufgerissen wurde und keuchend ein junger Novize im Türrahmen stand. Zum Leidwesen des Patienten trieb der Pandaren erschrocken die Akupunkturnadel nun einen Fingerbreit zu tief ins Fleisch und unter einem grellen Schrei schoss der Versehrte von seinem Lager auf. Wütend fuhr der Meister um und grollte dem Störenfried. „Bei den Schnurrhaaren Xuens! Novize, weshalb sabotierst du Grünschnabel so rücksichtslos meine Sitzung?“ Eine rhetorische Frage, was der Junge dem Meister jedoch nicht ansah und so rang er nach dem ersten Schrecken nicht mehr nur um Atem, sondern auch um eine Entschuldigung. „Ich.. nun… Meister… also...“ Der Heiler schüttelte entnervt den Kopf. „Ja ja, sag schon Junge.“ Der Novize hob unsicher seine Pfote, in der er einen schlichten Brief hielt und stotterte sich ängstlich zusammen, was man ihm mitgeteilt hatte. „Ein Brief aus Einfass Meister Tintenfell, von Eurem Bruder. Der Bote meinte es sei von höchster Wichtigkeit für Euch und dass ich keine Zeit verlieren solle.“ Der Alte zog die Augenbrauen zusammen und nickte dem Junge zu. „Na gut, aber du weißt, dass ihr die Heiler nicht einfach so stören dürft!“.
Demütig und schuldbewusst verneigte sich der Novize, reichte dem Meister den Brief und verschwand fast lautlos aus dem Raum. Stöhnend und starr von der Wirkung des Schmerzes blickte der Patient entrückt gen der Zimmerdecke. Sein Arzt drehte den Brief und las den Absender, beiläufig zog er die Nadel aus dem Leidenden und legte ein mit Tinktur getränktes Stück Leinen auf die Wunde. Seufzend lies er dann das Papier unter dem Kragen seiner Robe verschwinden, machte sich daran den Körper von den Nadeln zu befreien und wies ihn an sich morgen noch einmal bei ihm zu melden, dann könne man hoffentlich ungestört die Behandlung zu Ende führen.
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Das klare, kühle Licht der noch tiefstehenden Frühjahressonne erwärmte die Flanke des Berges und taute den vor wenigen Tagen in Einfass gefallenen Schnee langsam an. Eine große Zahl von vielleicht einen Tag alten Pfotenabdrücke führte durch den aufgeweichten Boden nur wenige Schritte aus dem Dorf hinaus, wo zwei Pandaren schweigend und regungslos nebeneinander standen. Die Augen des einen glänzten in der Sonne, er schluchzte, während der Blick des Mannes neben ihm in die Ferne zu gehen schien. Wortlos betrachteten sie den Haufen Erde, hinter dem eine schlichte, hölzerne Namenstafel an einem niedrigen Pfahl im Grund steckte.
Sich über die tränenden Augen reibend brach einer der beiden das Schweigen. „Es ist so merkwürdig Yuan. Vaters Tod war schlimm und ich wusste, dass das mit ihr natürlich auch irgendwann geschehen würde, aber wenn es dann passiert ist es trotzdem wie ein Schlag, als hätte man nie damit gerechnet.“ Er schnäuzte in ein Taschentuch und räusperte sich verlegen. „Hätte man mir vor drei Tagen noch gesagt, dass sie sterben würde, hätte ich wohl gelacht und zur Antwort gegeben, dass das noch lange hin ist. Glaubst du denn, dass es besser so war Yuan?“ Der Pandaren neben ihm presste die Lippen aufeinander und brummte knapp. „Das ist der Lauf der Welt, aber da erzähle ich dir nichts Neues Shen. Ich bin froh, dass sie nicht gelitten hat.“ Der Pandaren neben ihm nickte. „Ja, es war wie immer. Sie war bei Tantchen Wei und kam dann zum Abendbrot. Wir haben gegessen und geredet. Es fing an zu schneien und sie meinte noch heiter, dass an diesem Abend der Schnee vielleicht zum letzten mal in diesem Winter fallen würde. Dann ging sie ins Bett.“ Bei der Erinnerung überkamen ihn wieder die Tränen und er versuchte sie vor seinem Bruder zu verbergen. „Ich muss dann wieder. Ihre Sachen sortieren sich nicht von alleine.“ Er wandte sich zum Gehen, als sein Bruder ihm noch nachsprach. „Ich komme dann gleich und helfe dir. Bleibe nur noch ein paar Augenblicke. Shen? Danke, dass du dich immer so gut um Mutter gekümmert hast." Shen nickte, seufzte und ging Richtung Zuhause. Yuan blickte traurig auf das Grab, dann in den hellblauen Himmel hinauf. Es würde in diesem Winter wohl wirklich kein Schnee mehr fallen.
Bald würde die Behandlung zum Ende kommen, der Therapeut nahm die letzte Nadel zur Hand und setzte sie schon vorsichtig an, als plötzlich mit einem lauten Schlag die Türe aufgerissen wurde und keuchend ein junger Novize im Türrahmen stand. Zum Leidwesen des Patienten trieb der Pandaren erschrocken die Akupunkturnadel nun einen Fingerbreit zu tief ins Fleisch und unter einem grellen Schrei schoss der Versehrte von seinem Lager auf. Wütend fuhr der Meister um und grollte dem Störenfried. „Bei den Schnurrhaaren Xuens! Novize, weshalb sabotierst du Grünschnabel so rücksichtslos meine Sitzung?“ Eine rhetorische Frage, was der Junge dem Meister jedoch nicht ansah und so rang er nach dem ersten Schrecken nicht mehr nur um Atem, sondern auch um eine Entschuldigung. „Ich.. nun… Meister… also...“ Der Heiler schüttelte entnervt den Kopf. „Ja ja, sag schon Junge.“ Der Novize hob unsicher seine Pfote, in der er einen schlichten Brief hielt und stotterte sich ängstlich zusammen, was man ihm mitgeteilt hatte. „Ein Brief aus Einfass Meister Tintenfell, von Eurem Bruder. Der Bote meinte es sei von höchster Wichtigkeit für Euch und dass ich keine Zeit verlieren solle.“ Der Alte zog die Augenbrauen zusammen und nickte dem Junge zu. „Na gut, aber du weißt, dass ihr die Heiler nicht einfach so stören dürft!“.
Demütig und schuldbewusst verneigte sich der Novize, reichte dem Meister den Brief und verschwand fast lautlos aus dem Raum. Stöhnend und starr von der Wirkung des Schmerzes blickte der Patient entrückt gen der Zimmerdecke. Sein Arzt drehte den Brief und las den Absender, beiläufig zog er die Nadel aus dem Leidenden und legte ein mit Tinktur getränktes Stück Leinen auf die Wunde. Seufzend lies er dann das Papier unter dem Kragen seiner Robe verschwinden, machte sich daran den Körper von den Nadeln zu befreien und wies ihn an sich morgen noch einmal bei ihm zu melden, dann könne man hoffentlich ungestört die Behandlung zu Ende führen.
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Das klare, kühle Licht der noch tiefstehenden Frühjahressonne erwärmte die Flanke des Berges und taute den vor wenigen Tagen in Einfass gefallenen Schnee langsam an. Eine große Zahl von vielleicht einen Tag alten Pfotenabdrücke führte durch den aufgeweichten Boden nur wenige Schritte aus dem Dorf hinaus, wo zwei Pandaren schweigend und regungslos nebeneinander standen. Die Augen des einen glänzten in der Sonne, er schluchzte, während der Blick des Mannes neben ihm in die Ferne zu gehen schien. Wortlos betrachteten sie den Haufen Erde, hinter dem eine schlichte, hölzerne Namenstafel an einem niedrigen Pfahl im Grund steckte.
Sich über die tränenden Augen reibend brach einer der beiden das Schweigen. „Es ist so merkwürdig Yuan. Vaters Tod war schlimm und ich wusste, dass das mit ihr natürlich auch irgendwann geschehen würde, aber wenn es dann passiert ist es trotzdem wie ein Schlag, als hätte man nie damit gerechnet.“ Er schnäuzte in ein Taschentuch und räusperte sich verlegen. „Hätte man mir vor drei Tagen noch gesagt, dass sie sterben würde, hätte ich wohl gelacht und zur Antwort gegeben, dass das noch lange hin ist. Glaubst du denn, dass es besser so war Yuan?“ Der Pandaren neben ihm presste die Lippen aufeinander und brummte knapp. „Das ist der Lauf der Welt, aber da erzähle ich dir nichts Neues Shen. Ich bin froh, dass sie nicht gelitten hat.“ Der Pandaren neben ihm nickte. „Ja, es war wie immer. Sie war bei Tantchen Wei und kam dann zum Abendbrot. Wir haben gegessen und geredet. Es fing an zu schneien und sie meinte noch heiter, dass an diesem Abend der Schnee vielleicht zum letzten mal in diesem Winter fallen würde. Dann ging sie ins Bett.“ Bei der Erinnerung überkamen ihn wieder die Tränen und er versuchte sie vor seinem Bruder zu verbergen. „Ich muss dann wieder. Ihre Sachen sortieren sich nicht von alleine.“ Er wandte sich zum Gehen, als sein Bruder ihm noch nachsprach. „Ich komme dann gleich und helfe dir. Bleibe nur noch ein paar Augenblicke. Shen? Danke, dass du dich immer so gut um Mutter gekümmert hast." Shen nickte, seufzte und ging Richtung Zuhause. Yuan blickte traurig auf das Grab, dann in den hellblauen Himmel hinauf. Es würde in diesem Winter wohl wirklich kein Schnee mehr fallen.
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